Dramatische Futternot in den Nestern

Vogelschützer schlagen Alarm: Die Trockenheit der vergangenen Wochen verursacht viele Brutausfälle bei Greifen, Eulen und Störchen.

Region – Experten wie Werner Peter, langjähriger Biotop- und Artenschützer im Main-Kinzig-Kreis, sprechen bereits vom „schlechtesten Brutjahr seit Jahrzehnten mit Auswirkungen für die Folgejahre.“ Schwer betroffen seien vor allem die Weißstörche, die im Frühjahr so zahlreich wie nie zuvor in die Auen zurückgekommen sind: Es habe bereit 25 Totalausfälle bei den Bruten gegeben, berichtet Peter in einer Pressemitteilung.

„In diesem Jahr haben es die Mäusefresser auch im Main-Kinzig-Kreis sehr schwer, ihren Nachwuchs großzuziehen und extrem viele Bruten sind bereits gescheitert. Zwei zeitgleiche negative Faktoren sind hierfür ausschlaggebend: Zum einen ist 2022 ein schlechtes Mäusejahr und zum anderen fallen auch Regenwürmer und Nacktschnecken wegen der langandauernden Trockenheit als Nahrungsquelle aus“, erklärt der Vogelexperte, der auch als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte Helgoland aktiv ist und die Jungstörche beringt.

Mäuse hätten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen einen Fortpflanzungszyklus, der alle drei bis vier Jahre zwischen Bestandsmaximum und -minimum schwanke. In diesem Jahr gebt es wieder ein Bestandstief. „In Anbetracht dieser Situation haben Waldkäuze in diesem Jahr gleich weitestgehend auf Bruten verzichtet, während Turmfalken oder Steinkäuze mit kleineren Gelegen als in Normaljahren auf diese mangelhafte Nahrungssituation reagierten.“

Bei ihren diesjährigen kreisweiten Nachwuchskontrollen bei den Turmbrütern und Steinkäuzen registrieren die ehrenamtlichen Mitarbeiter Johannes Hetterich aus Gelnhausen und Werner Peter ein „derart schlechtes Brutresultat wie seit Jahrzehnten nicht mehr“.

Wie Federreste an den Brutstellen belegten, versuchten zwar die Mäusegreifer den Mangel an Mäusen und Regenwürmern durch Vogelbeute zu kompensieren – aber meist ohne oder nur mit geringem Erfolg. Insbesondere gelang es extrem vielen Steinkauzpaaren nicht, einen einzigen Jungvogel großzuziehen, während die Turmfalken ihre Jungenzahlen reduzierten und die kleinsten Junge an die größeren verfütterten. Auch bei den Mäusebussardbruten wurde allenfalls nur ein Jungvogel flügge. Aber nicht nur bei den von Mäusen abhängigen Greifvögeln und Eulen verursachte die lange Trockenperiode erhebliche Brutausfälle, sondern auch bei den Weißstörchen.

„Die Klapperer decken ihren Nahrungsbedarf zu einem erheblichen Anteil mit Mäusen, Regenwürmern und Nacktschnecken. Da Letztere bei Trockenheit nicht verfügbar sind und sich in den Boden zurückziehen, fiel auch diese Nahrungsquelle für die Rotschnäbel während der diesjährigen Jungenaufzuchtperiode nahezu aus.“ So haben die beiden Ornithologen 25 erfolglose Weißstorchenbruten im Main-Kinzig-Kreis registriert. Peter verdeutlicht: „Das entspricht rund einem Viertel des kreisweiten Brutbestandes.“

Die übrigen Storchenpaare reagieren meist mit der Verminderung der Jungenzahl. „Hierbei verhungern auch noch fünf oder sechs Wochen alte Jungstörche in den Nestern. Somit zeichnet sich bereits jetzt ab, dass das diesjährige Brutresultat bei den Weißstörchen in diesem Jahr sehr schlecht wird.“

Der Ornithologe und Tierarzt Hetterich weist darauf hin, dass „Jungvögel außerdem bei großer Hitze kollabieren und sterben können“. Er sorge sich aber nicht um den Weißstorch, dessen Population im Kreis einen hohen und stabilen Bestand aufweist, sondern um die Turmbrüter.

Insbesondere die Schleiereule, die sich zu über 90 Prozent von Mäusen ernährt, verzeichne in diesem Jahr einen drastischen Bestandsabsturz. Kreisweit wurden nur wenige Brutpaare mit sehr geringer Gelegegröße gezählt. Aktuell gelte dieser Kulturfolger, der meist in Kirchtürmen brütet, als extrem bedroht. Aufgrund kreisweiter ehrenamtlicher Brutplatzverbesserungen ist der Main-Kinzig-Kreis eines der wenigen Gebiete Hessens, in dem überhaupt noch Brutvorkommen dieser schönen Eule existieren.  thb