„Kritik nicht nachvollziebar“

Nachdem Landrat Thorsten Stolz (SPD) im Gespräch seine Pläne zur Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft konkretisiert hatte, musste der Verwaltungschef harte Kritik einstecken.

Region – Unter anderem von der CDU, die im Kreistag mit den Sozialdemokraten eine Große Koalition bildet. Aber auch aus den Reihen der Opposition. Jetzt hat der Landrat auf die Kritik reagiert und nimmt vor allem Bezug auf die Argumente des CDU-Fraktionschefs Heiko Kasseckert, der dafür plädiert, Unternehmer mit Fördergeldern dazu zu bringen, den fehlenden Wohnraum zu schaffen.

Wer sich mit kleiner Rente einmietet, der spürt den Druck des Wohnungsmarkts unmittelbar, das ist für diese Menschen die bedrängende Realität.

„Es ist recht einfach zu sagen, dass der Markt schon die richtigen Antworten auf die großen sozialen Herausforderungen geben wird. Beim Wohnungsmarkt, gerade in unserem Kreis als Teil einer boomenden Rhein-Main-Region, sind diese Antworten leider seit Jahren unzureichend. Die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums ist ein wichtiger Teil der Daseinsfürsorge“, bekräftigt Stolz seine Pläne. Die von CDU und AfD geäußerte Kritik bezeichnet er als „inhaltlich, sachlich, politisch aber nicht nachvollziehbar“.

Beide Parteien verkennen nach Ansicht des Landrats die Lebenswirklichkeit vieler Menschen im Main-Kinzig-Kreis. Rentner, Alleinerziehende, Familien, kleinere und mittlere Einkommen hätten es immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Da brauche es konkrete Lösungen mit und durch die öffentliche Hand.

Die Immobilienpreise bewegen sich laut Stolz im Kreisgebiet seit Jahren auf einem steigenden Niveau. Im Schnitt bezahlten Mieter nach Branchenangaben schon an die neun Euro pro Quadratmeter. Im Westkreis und in der Kreismitte bewegten sich die Quadratmeterpreise eher deutlich darüber. Wer sich mit kleiner Rente in überschaubaren 60 Quadratmetern einmiete und dafür bis zu 800 Euro oder noch mehr bezahlen müsse, nicht inbegriffen die zusätzlichen Nebenkosten, „der spürt den Druck des Wohnungsmarkts unmittelbar, das ist für diese Menschen die bedrängende Realität“, so Stolz.

Bestandsimmobilien hätten sich deutlich verteuert, Mietniveaus erhöht und neu geschaffene Mietwohnungen würden zu einem üppigen Quadratmeterpreis angeboten. Da kämen die Haushalte mit kleinem Einkommen kaum noch mit, betont Stolz.

Schon im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU sei vereinbart worden, dass weitere aktive Maßnahmen zur Entlastung des Immobilienmarkts notwendig seien. Der Bedarf an bezahlbaren Mietwohnungen wird nach Meinung von Stolz eher noch steigen, sodass ein Erwägen verschiedener konkreter Initiativen auch notwendig sei. „Corona hatte auf den Wohnungs- und Immobilienmarkt keine gravierenden Auswirkungen. Die Trends halten an.“

Kleinere und mittlere Einkommen oder gar die Bezieher staatlicher Leistungen haben viele klassische private Bauträger überhaupt nicht auf dem Schirm.

Die CDU fordere eine Prüfung aller Optionen und einen eher schmalen personellen Aufwand. „Ja was denn sonst?“, fragt Stolz. „Natürlich prüfen wir gemeinsam alle Optionen. Aber es ist auch klar wie banal, dass eine Initiative Power braucht, wenn sie wirksam sein will. Mit guten Wünschen alleine löst sich der Engpass auf dem Wohnungsmarkt nicht.“ Dass die AfD daraus nun ableite, es gehe um das Schaffen von „Pöstchen“ und dies mit einer Polemik gegen kreiseigene Betriebe insgesamt verbinde, „sagt eigentlich alles über das Debattenniveau der AfD aus“.

Der Kreis hingegen habe in den zurückliegenden Jahren erfolgreich mit Mitteln des Landkreises Wohnungsbauprojekte in einzelnen Städten und Gemeinden gefördert. Bei allen Projekten sei durch das Engagement der einzelnen Städte und Gemeinden, das Einbringen von Grundstücksflächen sowie die Förderung des Kreises ein gedeckelter Mietpreis von 7,50 Euro je Quadratmeter im Neubau ermöglicht worden. Mittlerweile wurden durch das Programm des Landkreises insgesamt 283 Wohnungen kreisweit gefördert. „Wir zeigen anhand dieses Förderprojekts: Wir können vor Ort etwas bewegen, wenn wir das Know-how vor Ort bündeln und uns auf kurzen Wegen unterstützen, und doch ist das nur ein kleiner Beitrag gegen die weiter voranschreitende Preisentwicklung. Der Nachfrage muss ein höheres Angebot gegenüberstehen“, so Stolz.

Die Entwicklung des Preisniveaus ist nach Ansicht des Landrats auch der wesentliche Grund, warum der private und freie Markt es am Ende nicht alleine werden regeln können. Denn einerseits werden hohe Kaufpreise für Grundstücke aufgerufen, andererseits steigen die Errichtungs- und Baukosten immer weiter. Unter diesen Rahmenbedingungen könnten private Investoren keine Mietwohnungen für 7,50 Euro oder 8,50 Euro je Quadratmeter im Neubau realisieren.

VON HOLGER WEBER