Musikalischer Tausendsassa

Um auch während der Corona-Zeit Chorproben zu ermöglichen, hat Alexander Franz, der aktuell 14 Chöre in der Region leitet, großen technischen Aufwand betrieben. Der 58-jährige Bernbacher lebt für die Musik. Foto: Monica Bielesch

Eigentlich hatte Alexander Franz für seine berufliche Laufbahn ganz andere Pläne. Der gebürtige Freigerichter hat ein Chemiestudium angefangen und eine Lehre als Fernseh- und Radiotechniker absolviert. Aber seitdem er als Kind erstmals mit einem Chor auf einer Bühne stand, hat ihn die Musik gepackt und nicht mehr losgelassen.

Freigericht – Noch heute lebt er in seinem Heimatort Freigericht-Bernbach. „Singen war bei uns zu Hause Tradition, es wurde immer gesungen, ob bei großen Familienfeiern oder auch nur so“, erzählt Franz am Küchentisch über sein bewegtes musikalisches Leben.

Sein Vater („Er war ein begnadeter Tenor.“) war im Gesangverein Harmonie Bernbach, seine Mutter sang im Kirchenchor.

„In so einen Gesangverein wird man geboren“, meint Franz, der von der großen Freigerichter Chortradition erzählt. Noch heute ist die 14 000--Einwohner-Gemeinde eine Chor-Hochburg, es gibt insgesamt über 20 Chöre. Schon als Kind singt Franz in mehreren Chören, wird vom damaligen Musikdirektor Willy Trageser und Diplom-Kapellmeister Hans Schlaud entdeckt und gefördert. Erst als 14-Jähriger lernt er mit dem Klavier ein Instrument. „Aber das Singen war immer im Vordergrund, bis heute.“

Er erinnert sich an sein allererstes Konzert. „Ich hatte eine sehr hohe Stimme und habe den ersten Sopran gesungen.“ Auf der Bühne im Konzertsaal in Bad Orb schreitet er zum Klavier und singt den ersten Ton. „Das war wie eine Initialzündung“, ist ihm dieser Moment noch lebhaft in Erinnerung.

Beim Singen in einem Chor ist ihm auch nach all den Jahren immer noch die Gemeinschaft am wichtigsten. „Gemeinsam etwas zu leisten und auf die Bühne zu bringen – das ist etwas Besonderes.“

Schon als 22-Jähriger übernimmt er in Hailer seine erste Chorleitung. „Ich habe es einfach ausprobiert, bei der Musik bin ich Autodidakt.“ Während er eine berufliche Ausbildung macht und schließlich unter anderem vier Jahre als Rettungssanitäter auf einem Notarztwagen arbeitet, übernimmt er die Leitung für immer mehr Chöre. Musikalisch bildet sich Franz bei Chorleiterlehrgängen und am Frankfurter Dr. Hoch´s Konservatorium weiter.

Schließlich wagt er vor 21 Jahren den Schritt in die musikalische Freiberuflichkeit und wird hauptberuflich Chorleiter. Der heute 58-Jährige hat unzählige Chöre in der ganzen Region geleitet, in einer großen Bandbreite auf vielen Ebenen. Mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen hat er nicht nur traditionelles Liedgut gesungen, sondern beispielsweise auch Jazz-Interpretationen und andere moderne Musik. Unter anderem diese Vielseitigkeit prägt seine Arbeit und macht ihn als Chorleiter so beständig erfolgreich. Mit den Chören Uccelli di Canto in Langenselbold und dem Kirchenchor St. Wendelin in Neuses arbeit er seit nun mehr 25 Jahren zusammen.

Eines der Lieder, das ihn Zeit seines Lebens begleitet habt, ist „Nächtliches Ständchen“ von Franz Schubert. Aber auch alte deutsche Volkslieder, Musik der Spätromantik oder der Rock-Pop Band Chicago gehören zu seiner persönlichen Lieblingsmusik.

„Was mir als Chorleiter sehr wichtig ist, ist das harmonische Miteinander im Chor.“ Ein positiver Umgang miteinander sei wichtig, um füreinander und für das Publikum das bestmögliche zu erreichen. Dabei komme dem Chorleiter eine besondere Funktion zu, so Franz. „Er ist nicht nur Dirigent und Pianist, sondern auch Lehrer, Psychologe, Vorsänger und Animateur.“ Gefragt sei viel Empathie und Einfühlungsvermögen, um individuell auf jeden Chor einzugehen.

Alexander Franz arbeitet auch mit vielen Kinderchören zusammen. „Kinder begeistert man anfangs nur über den Spaß.“ Wenn Kinder aber die Freude am Singen entdeckt haben, die Freude, gemeinsam etwas zu erschaffen und das Publikum zu erfreuen, dann könne er mit Kindern auch leistungsbezogen arbeiten, so Franz. Generell lernen die Kinder bei ihm die Liedtexte auswendig. „Ich singe ihnen alles vor.“

Wie das gemeinsame Singen eine Gruppe von unruhigen, wuselnden Kindern in Harmonie bringt, zeigt Franz beispielsweise in Erlensee mit den Kindern der Grundschule Langendiebach, wo er als Musiklehrer arbeitet. Oder mit den Klangsternchen, dem Kinderchor der Chorgemeinschaft Erlensee. „Singen steigert bei Kindern die Fähigkeit zur Konzentration, fördert die Disziplin und die Gemeinschaft.“

Schon seit 15 Jahren arbeitet Franz im Kinderbereich auch mit dem bundesweit bekannten Kinderliedersänger Rolf Zuckowski zusammen, „Diese Freundschaft und Zusammenarbeit hat mich sehr geprägt.“ Sie geben gemeinsame Konzerte und Workshops für Kinder. Vor fünf Jahren sind sie beispielsweise zusammen mit rund 200 Kindern aufgetreten. „Im Chor zu singen macht was mit Kindern, sie erfahren Stolz und Selbstbewusstsein.“

Der passionierte Musiker, dem die Bühnenatmosphäre viel bedeutet, freut sich, dass jetzt wieder Auftritte und normale Proben möglich sind. Die vergangenen zwei Jahre waren schwierig. „Corona hat der Chorszene geschadet.“ Viele Chöre haben Mitglieder verloren. Aber auch jenseits einer Pandemie müsse ein Chor immer innovativ bleiben. „Stillstand geht nicht, es muss eine Entwicklung im Chor stattfinden.“

Das Gespräch mit Alexander Franz ist auch eine Reise durch viele musikalische Highlights der Region der vergangenen Jahre. Er erinnert sich an Auftritte mit seinen Chören auf der Seebühne am Kinzigsee, bei der Wilhelmsbader Sommernacht, beim Offenbacher Lichterfest, beim deutschen Chorfest oder mit der Neuen Philharmonie Frankfurt.

Aktuell leitet er 14 Chöre, unter anderem in Somborn, Alzenau, Erlensee und in Langenselbold. Durch großen technischen Aufwand im Dachstudio seines Hauses hat der engagierte Chorleiter es geschafft, auch während Corona mit einigen seiner Chöre ambitioniert zu Proben. Weil während der Pandemie einige Menschen das Singen für sich entdeckt haben, hat er im Selbolder Chor Uccelli di Canto sogar mehrere Neuzugänge verzeichnen können.

Im Oktober finden einige Auftritte seiner Chöre statt. Bis dahin lernt Alexander Franz weiter Ukulele, die er vor zwei Jahren geschenkt gekriegt hat. Denn was er von seinen Chören erwartet, lebt er vor: nur keinen Stillstand.

Alexander Franz dirigiert:

23. Oktober: 25-jähriges Dirigentenjubiläum beim Kirchenchor Neuses, Gottesdienst mit anschließendem Sektempfang.

28. Oktober: Zehnjähriges Jubiläum beim Volkschor Langenselbold. Großes Konzert in der Klosterberghalle.

29. Oktober: 25-jähriges Jubiläum als Dirigent bei Ucceli di Canto, Konzert in der Klosterberghalle.

VON MONICA BIELESCH