Reformprozess angestoßen im Kinderfußball

Die Zukunft im Blick: Der Hasselröther Frank Illing, Vorsitzender des Verbandsausschusses für Qualifizierung und Vereinsentwicklung im Hessischen Fußball-Verband, verteidigt die Jugendfußball-Reform. Foto: Helge Schröder

Neue Spielformen im Kinderfußball kommen und stoßen nicht nur auf Gegenliebe. Der Hasselröther Frank Illing, Vorsitzender des Verbandsausschusses für Qualifizierung und Vereinsentwicklung im Hessischen Fußball-Verband, ordnet die Neuerungen ein.

Region – Frank Illing stand unserem Redakteur Torben Fribor in einem Interview Rede und Antwort.

Ab der Saison 2024/25 sollen neue Spielformen ohne Endergebnis und Punkte bei den jüngsten Jahrgängen gelten. Eine gute Lösung?

Durch die neuen Wettbewerbsformen sind für Kinder die zu gehenden Stufen in die nächste Altersklasse kleiner und leichter. Ein Sechsjähriger hat beispielsweise kein Teamgefühl, ist stark ichbezogen. Die Komplexität, mit sieben Spielern in einem klassischen Team zu agieren, ist nicht vorhanden. Mit zwei Mitspielern fällt es leichter. Jedes Kind im G-Juniorenalter will zum Ball. Das ermöglicht die neue Spielform, ohne andere zu benachteiligen. Der Punkt ist: Alle wollen mehr spielen. Und die Statistiken zeigen, dass Kinder dank der neuen Spielform mehr Ballkontakte haben und mehr Tore schießen. Allgemein müssen wir uns über zwei Dinge im Klaren sein: Kinder kommen nicht in einen Verein, um trainiert zu werden, sondern um zu spielen. Und dann sollten wir uns fragen: Was ist der Sinn des Fußballspiels? Sinn eines Spiels ist zu gewinnen, Ziel eines Fußballspiels ist aber, das Zusammenspiel zu lernen.

Seit Beginn der Pilotphase 2019 ist der Reformprozess von Kritik begleitet. Viele glauben, dass einige weiter auf klassische Vereinsduelle setzen und es zu Schwarzligen kommen könnte. Was sagen Sie den Kritikern?

Dass diese Vereinsvertreter mal ihre Motive hinterfragen sollten. Dass sie Dinge im Großen sehen und diese auf die Kinder transportieren. Am Ende benutzt man Kinder an dieser Stelle für die Ziele der Erwachsenen. Kinder in diesem Alter benötigen noch keine Tabellen und Meisterschaften, stattdessen erfüllt die neue Spielform Ziele und Motive der Nachwuchskicker.

Andere sagen, dass die Einführung des neuen Reglements das Kern-Problem nicht aus der Welt schafft: den Schwund im Juniorenfußball. Wie bringt man den Juniorenfußballer dazu, dass er auch noch mit 15 Jahren kickt?

Gegenfrage: Was ist die Aufgabe von Kindertraining? Gesunderhaltung! Die Basis legen für Lust am lebenslangen Sporttreiben! Das hat für mich mit Trainingsmethoden zu tun, die Lust auf Sport machen. Da gehört sicherlich nicht das Torschusstraining mit acht oder zehn Kindern in einer Schlange und drei Abschlüssen pro Kind in zehn Minuten dazu. Das Motiv muss in den Vordergrund. Motive, warum ein Jugendlicher aufhört oder weitermacht, liegen im Wesentlichen laut einer Umfrage zu 78 Prozent an der Qualität des Trainers.

Aber nicht jeder Betreuer hat Zeit, eine Lizenz zu erwerben…

Natürlich kann nicht jeder Jugendbetreuer eine Lizenz erwerben. Deshalb bieten wir ein Kindertrainer-Zertifikat mit einem Umfang von 20 Lerneinheiten an. Dabei ist Folgendes zu beachten: Wir müssen schauen, dass es Breite und Spitze gibt. Die Breite geht aber verloren, wenn die Spitze zu breit wird. Ein Beispiel liefert der 1. FC Erlensee mit seiner überragenden Nachwuchsarbeit. Die machen das so gut, dass sie sich vor Spielern nicht retten können.

Gibt es eine Schattenseite?

Der Klub stellt drei B-Jugendteams mit circa 65 Spielern. 45 kommen an Spieltagen zum Einsatz. 20 schauen nur zu. Diese Spieler fehlen dann den anderen Vereinen, um ein Team stellen zu können. Zudem sollte den Nachwuchsleistungszentren verboten werden, Mannschaften unterhalb der Altersklasse U12 im Wettbewerb zu haben. Die jüngsten Kicker sollten zunächst in Wohnortnähe spielen. Die Nachwuchsleistungszentren können dann einmal pro Woche talentierte Kinder zu einem Fördertraining einladen oder Trainer in die Vereine schicken. Das macht beispielsweise Atletico Madrid.

In welcher Altersgruppe sehen Sie die größten Probleme?

Die sehe ich bei den A-Junioren. Die Vereine haben das Interesse, ihre Talente möglichst früh zu den Senioren hochzuziehen. Viele dieser Kicker wollen aber lieber die Jugend zu Ende spielen, denjenigen kann aufgrund zu geringer Mannschaftszahlen keine attraktive Meisterschaftsrunde angeboten werden.