Kampf gegen den Kahlschlag

Sabine Leidig (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

Im Dannenröder Wald zwischen Marburg und dem Vogelsberg sollen demnächst über 100 Hektar (die Fläche von 150 Fußballfeldern) gerodet werden. In diesem schönen Mischwald wachsen viele Buchen - nicht wenige seit 300 Jahren. Der Bestseller „Die geheime Sprache der Bäume“ hat entschlüsselt, warum Wald eine Quelle für gutes Leben ist und nicht einfach ein Rohstofflager der Holzwirtschaft. Dieser Wald birgt auch Quellen für gutes Wasser: Das Wasserschutzgebiet Gleental versorgt die Region und sogar Teile von Frankfurt mit Trinkwasser. Und weil seit 2003 zu wenig Regen fällt, um die Grundwasserreserven aufzufüllen, wird dies immer bedeutsamer. Warum soll dieser Naturschatz zerstört werden? Weil Bund und Land ein weiteres Stück Autobahn bauen wollen: die A49.

Nach 1990 schnellte die sogenannte Fahrleistung von Lkw in Deutschland von 33 Milliarden Kilometer pro Jahr auf 60 Milliarden in 2010 und auf 70 Milliarden 2017. Wahnsinniges Verkehrswachstum auf der Straße, Tendenz ungebrochen. Ganz zu schweigen vom Autoverkehr, der von 430 auf 650 Milliarden Kilometer pro Jahr angeschwollen ist.

In derselben Zeit sind bundesweit 250.000 Kilometer neue Straßen betoniert worden, das Schienennetz aber wurde um mehrere tausend Kilometer verkleinert. Wohin soll diese Reise gehen? Wer profitiert und wer verliert? Abgesehen von den enormen Belastungen (Lärm, Unfälle, Luftverschmutzung) geht es inzwischen buchstäblich ums Ganze, weil dieser Verkehr die Lebensgrundlagen der Menschheit untergräbt. Deshalb hat im Dannenröder Wald eine kleine Schar junger Menschen einige Baumhäuser errichtet, um den Wald zu besetzen und vor dem Kahlschlag zu retten.

Die Aktion „Wald statt Asphalt“ hat neue Zuversicht geweckt: Hunderte beteiligen sich an solidarischen Waldspaziergängen, örtliche Handwerker bringen Baumaterial, Bauern laden zum Campen auf ihre Wiesen ein, Nachbarn bieten warme Stuben und heiße Duschen, Försterfamilien, Betriebsräte, Künstlerinnen, Leute aus der Verwaltung mit ihren Kindern. Viele haben verstanden, dass die sozialökologische Verkehrswende jetzt und hier auf den Weg gebracht werden muss: mobil sein und eine gute Versorgung für alle sicherstellen - mit deutlich weniger Verkehr. Dass das geht, ist vielfach bewiesen. Auch zur A49 sind Bahn-Alternativen möglich. Die Perspektive ist, regionale Wirtschaft zu stärken und globale Ausbeutung zu beenden. Kurze Wege statt lange Fahrten sind für alle besser!