Viele Kinder haben Eltern verloren

Partner von „Helping Hands“ unterstützen Menschen nach Erdbeben in Syrien.

Main-Kinzig-Kreis – Der Gelnhäuser Verein Helping Hands berichtet in einer Mitteilung über die Situation und Hilfe nach den Erdbeben im Nahen Osten. „Es ist unfassbar. Hier im Libanon sehen wir viel Leid, aber wenigstens leben die Leute noch irgendwie.“ So berichtet Andrew H., der das Erdbeben vom 6. Februar in Aleppo nur knapp überlebte. „Dort, in Aleppo und anderen Gegenden Nordsyriens, läuft gar nichts mehr. Die Straßen sind leer, kein Verkehr, der Sprit ist verrückt teuer. Alles wirkt verlassen, die Gegenden sind völlig verarmt, keiner kümmert sich darum, die vom Krieg beschädigten Gebäude zu reparieren. Die Menschen leben im Elend, sie mussten mit ansehen, wie ihre Verwandten vor ihren Augen starben, sie haben ihre Häuser verloren, ihre Jobs, ihr Erspartes. Sie brauchten wirklich nicht noch eine weitere Katastrophe.“

Die Erdbeben, die Anfang Februar im Nahen Osten ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht haben, brachten in Nordsyrien weiteres Elend über Familien, die in den letzten Jahren schon unglaublich viel erlitten haben. Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg ist die ökonomische Situation in vielen Teilen des Landes auf dem Tiefstpunkt; Jobs sind sehr schwer zu finden, Gehälter kaum mehr zehn bis 20 Dollar pro Monat wert, aber ohnehin gibt es viele Dinge nicht mal mehr auf dem Schwarzmarkt zu kaufen.

Medizin muss aus dem Ausland hereingeschmuggelt werden, Brot ist rationiert und man steht oft stundenlang dafür an, Verkehrsmittel können sich viele nicht mehr leisten, was auch die Schulbildung der Kinder beeinträchtigt.

Die Erdbeben im Februar, die über 50 000 Todesopfer forderten, zerstörten auch in Nordsyrien zahlreiche Gebäude und Infrastruktur; darüber hinaus sind viele Häuser so stark beschädigt, dass sie derzeit nicht bewohnbar sind. Auch jetzt, über 50 Tage nach der Katastrophe, leben tausende Familien noch in Zelten oder in Turnhallen.

„Wir haben mit einer Familie Kontakt, deren Zuhause bereits im Bürgerkrieg zerstört wurde“, berichtet Fadi F., Mitarbeiter einer örtlichen Partnerorganisation von Helping Hands, dem Gelnhäuser Verein für Entwicklungszusammenarbeit. „Deshalb lebten sie in einer Garage. Aber die stürzte dann im Erdbeben ein. ‚Was sollen wir jetzt tun, wo sollen wir hin?’, haben sie gefragt. Andere Gebäude sind zwar nicht völlig zerstört, aber haben starke Risse. Wenn man mit der Hand gegen die Wand drückt, bewegt sie sich. Diese Familien sagen: ‚Wir wollen lieber auf der Straße leben, sodass das Haus nicht einstürzt und unsere Kinder tötet.’ Manche davon haben nur ein Brett zwischen zwei Bäume geklemmt und eine Decke darüber gehängt – so wohnen sie jetzt. Und es ist immer noch ziemlich kalt dort. Wir helfen mehreren Familien, für ein paar Monate die Miete für eine sichere Unterkunft zu bezahlen.“

Das ist – neben Milchpulver und Windeln für Babys sowie Hygieneartikeln und Medizin – momentan eines der größten Bedürfnisse in Nordsyrien: Unterstützung beim Mieten einer sicheren Unterkunft und beim Renovieren der beschädigten Gebäude.

Langfristig sind noch größere Herausforderungen zu bewältigen. Zum Beispiel haben viele Kinder im Erdbeben ihre Eltern verloren. „Wir wollen nicht, dass diese Kinder auf der Straße landen. Deshalb hoffen wir, ihnen mit Bildungsprogrammen zu helfen und vielleicht ein Zuhause zu geben.“

Vor allem aber sei nachhaltige, zukunftsorientierte Arbeit besonders mit den Jugendlichen notwendig, so Helping Hands. Dazu gehören örtlich relevante Ausbildungsprogramme, sodass die jungen Menschen eine Arbeit finden können. Auch Englischunterricht gebe ihnen gute Möglichkeiten, durch internetbasierte Jobs Geld zu verdienen. Doch auch bewusstseinsbildende Programme seien notwendig, um eine Mentalität der Ohnmacht zu bekämpfen und eine bessere Lebenseinstellung zu etablieren.

„Die jungen Menschen müssen lernen, Kontrolle für ihr Leben zu übernehmen“, erklärt Andrew H., der ein Leiterschulungszentrum in Beirut betreibt. „Die Jugendlichen müssen lernen, unternehmerisch zu denken, ihre Chancen zu nutzen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln.“

Das werde langfristig nicht nur für diese jungen Menschen einen großen Unterschied machen, sondern auch dazu beitragen, die Gesellschaft zu heilen und in dem von Krieg und Katastrophen zerrütteten Land neue Hoffnung für die Zukunft zu schaffen. Gemeinsam mit den Partnern möchte Helping Hands e.V. in Nordsyrien wirkungsvoll helfen und nachhaltig verändern, heißt es in der Mitteilung. Die Freunde im Libanon haben schon einen eindrucksvollen Anfang gemacht und sich trotz des eigenen Elends großzügig gegeben und den Nachbarn geholfen.  

Wer den Menschen in Nordsyrien eine helfende Hand reichen möchte, kann spenden mit dem Vermerk „Katastrophenhilfe Naher Osten“ über https://helpinghandsev.org/spenden/ oder per Überweisung auf das Konto von Helping Hands e.V. (IBAN: DE56 5075 0094 0000 022394).
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