Abrüstungsinitiative nötig

Udo Bullmann (SPD)

Mehr als 30 Jahre ist der INF-Vertrag alt. Er wurde 1987 von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnet. Die USA und die Sowjetunion verzichteten darin vollständig und mit unbeschränkter Dauer auf die Entwicklung und Aufstellung landgestützter Mittelstreckenraketen. Das war in der Endphase des Kalten Krieges ein großer Schritt, um die nukleare Bedrohung gerade auch für Europa einzudämmen. Die Grundlage der Abrüstung waren Ehrlichkeit und Überprüfung - diese gegenseitige Überprüfung der Waffenarsenale lief Anfang der 2000er Jahre aus, damit wuchs das gegenseitige Misstrauen.

Schon seit vielen Jahren werfen die USA nun Russland vor, den Vertrag zu verletzen, indem sie neue Mittelstreckenraketen entwickeln und bauen. Aber auch Russland wirft den USA vor, sich nicht wirklich an den Vertrag zu halten. Außerdem gefährdet in Trumps Augen das chinesische Potenzial zur Aufrüstung die strategische Stellung der USA. Nun hat Präsident Trump am 1. Februar den INF-Vertrag aufgekündigt, am nächsten Tag schon zog Russland nach. Mit diesem Rückfall in die Mechanismen des Kalten Krieges droht ein wichtiger Pfeiler der europäischen Sicherheit wegzubrechen. Die Kündigung des INF-Vertrags berührt unsere vitalen Sicherheitsinteressen, Europa wird zur Zielscheibe, deshalb müssen wir auch der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens entschieden und gemeinsam entgegentreten.

Als ersten Schritt haben wir deshalb im Europäischen Parlament vor zwei Wochen eine Entschließung verabschiedet, die beide Seiten dazu auffordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der INF-Vertrag läuft noch bis Juli, diese Zeit sollte unbedingt genutzt werden, eine sichere und friedliche Lösung zu finden. Es könnten neue Kompromisse gefunden werden, zum Beispiel in Bezug auf neue Stationierungsorte oder auch bezüglich der Wiederaufnahme gegenseitiger Überprüfung. In diesen verbleibenden fünf Monaten müsste zumindest erreicht werden, dass keine neuen Aufrüstungsbeschlüsse folgen. Wir brauchen eine neue weltweite Abrüstungsinitiative, die von Europa ausgehen muss, denn die beiden großen nuklearen Mächte USA und Russland sind ganz offensichtlich dazu im Moment nicht in der Lage. Vor allem die europäischen Außenminister sind in der Pflicht, mit einer Stimme zu sprechen, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und international zu einer Priorität zu machen. Auch sollten Frankreich, Deutschland und Großbritannien als Mitglieder des UN-Sicherheitsrats gemeinsam eine multilaterale Abrüstungsinitiative anstoßen. Europa kann angesichts dieses Wegbrechens eines Eckpfeilers der europäischen Sicherheitsordnung und der weltweiten nuklearen Ordnung nicht passiv bleiben. Die Chance liegt darin, dass sich Europa auf gemeinsame Sichtweisen besinnt, dass die europäische Haltung zu militärischen Fragen nicht nur von den eigenen Interessen geplant wird, sondern aus der Perspektive gemeinsamer Sicherheit. Wir müssen uns rückbesinnen auf das, was die Friedensbewegung der 80er Jahre erreicht hat - einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über Rüstungskontrolle. Er ist heute nötiger denn je.