Ein starkes Europa

Peter Tauber (CDU) Bundestagsabgeordneter

Schloss Versailles am 28. Juni 1919. Die deutschen Minister Hermann Müller und Johannes Bell sind auf dem Weg in den Spiegelsaal des bekannten Schlosses, um ihre Unterschrift unter den Friedensvertrag zu setzen. Die deutsche Delegation muss eine Gruppe schwer im Gesicht verwundeter französischer Soldaten passieren, die stellvertretend die Deutschen an die Opfer und das Leid mahnen, zugleich nach Sühne verlangen. Die Welt schaut an diesem Tag auf Versailles und es ist sicher keine Botschaft des Friedens, die von diesen Bildern ausgehen soll. Als vor genau 100 Jahren, im Januar 1919, die Pariser Friedensverhandlungen begannen, war wenige Monate zuvor ein Krieg von kaum vorstellbarer Grausamkeit zu Ende gegangen. In den Friedensverhandlungen kanalisierte sich nun zum einen eine enorme Friedenssehnsucht in den durch den Krieg gezeichneten Gesellschaft, zum anderen aber auch der Hass, der zwischen den Gegnern gewachsen war und in Leid und Trauer immer weiter Nahrung fand.

Erst 44 Jahre später, 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, kam es zu einem ersten Schritt aufeinander zu: Konrad Adenauer und Charles de Gaulle unterschrieben den Élysée-Vertrag, der ein Ende der Feindschaft zwischen den Nachbarländern besiegelte. Der Vertrag war ein Bekenntnis zur Europäischen Gemeinschaft, zu Friede und Freundschaft. Deutsche und französische Kräfte wurden im Jahr 1963 offiziell gebündelt, um fortan die internationale Politik gemeinsam zu gestalten.

56 Jahre später haben Deutschland und Frankreich nun in Aachen einen neuen Vertrag unterzeichnet, der die Beziehung zu unserem Nachbarland weiter in enger Freundschaft und Partnerschaft definiert. Nicht minder geschichtsträchtig verankert der Vertrag in Zeiten des zunehmenden Nationalismus in Europa und der ganzen Welt eine zwischenstaatliche Partnerschaft, die vorbildhaft ist für die Werte von Zusammenhalt und Solidarität, für die das geeinte Europa steht und weiter stehen wird. Denn nur in durch Zusammenarbeit werden wir den Wohlstand und die Sicherheit erhalten, die wir in Europa heute genießen und die vielleicht der ein oder andere für zu selbstverständlich nimmt.

War der Élysée-Vertrag von 1963 vor allem ein Zeichen der Versöhnung, so setzt die neue Vereinbarung den Rahmen für eine noch engere und effizientere Zusammenarbeit. So sieht der Vertrag vor, dass die beiden Länder in Fragen der Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik künftig noch enger zusammenarbeiten. Zudem sollen deutsch-französische Grenzgebiete harmonisiert werden, indem Rechtsvorschriften aufeinander angepasst und Grenzüberquerungen weiter erleichtert werden - möglichst zweisprachig und unbürokratisch. Der Vertrag verkörpert die Ideale der europäischen Integration und lädt die anderen Mitgliedstaaten ein, sich dieser freundschaftlichen Vereinigung anzuschließen.

Speziell im Hinblick auf die anstehende Europawahl ist der Aachener Vertrag daher ein wegweisender Schritt. Unter dem Druck von wiedererstarkendem Populismus und Nationalismus steht Europa vor einer besonderen Herausforderung. Uns allen muss klar sein: Es geht um viel, wenn im Mai ein neues Europäisches Parlament gewählt wird. Der deutsch-französische Vertrag demonstriert, dass Europa sich nicht entzweien lässt und die Botschaft des Zusammenhalts die Stimmen der Nationalisten übertönt.