Mit Fingerwisch bewerben

Azubis werden gerade von kleinen und mittleren Firmen händeringend gesucht. Foto: PantherMedia/Monkeybusiness Images

Region – Den Bewerbungsprozess umkehren, Unternehmen fragen Jugendliche per SMS an, ob sie bei ihnen eine Ausbildung absolvieren wollen: Möglich macht dies das Digitalportal „die Azubisuche“, das Firmen und Schülern im Einzugsgebiet von Stadt und Kreis Offenbach, Stadt Hanau, Main-Kinzig-Kreis und Kreis Groß-Gerau angeboten wird.

Ursprünglich stammt die Idee aus dem Oberbergischen Kreis. Die Stadt Offenbach begann 2020 eine Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Kreis und passte das Portal dem hessischen Schulsystem an. „In Nordrhein-Westfalen gibt es teils andere Begriffe für Praktika, das mussten wir ändern“, so Brigitte Kümbel vom Offenbacher Übergangsmanagement.

Ende 2020 wurde das Portal als Pilotprojekt in Betrieb genommen, der Kreis Offenbach beteiligte sich 2021, vergangenes Jahr traten Main-Kinzig-Kreis und Stadt Hanau bei. Es sei ein niedrigschwelliges Angebot, um Schüler bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen, betont Offenbachs Bürgermeisterin Sabine Groß.

Ob Schlüchtern, Dreieich, Hanau oder Offenbach, die Probleme sind bekannt: Gerade kleinere und mittlere Firmen und Handwerksbetriebe suchen händeringend Lehrlinge. „Das Problem ist nicht mehr die Zahl der Ausbildungsplätze“, sagt Beigeordneter Carsten Müller vom Kreis Offenbach, „wir müssen Jugendlichen zeigen, was beruflich möglich ist.“ Städte und Kreise seien sehr engagiert, böten zahlreiche Programme und Initiativen, doch in der aktuellen Situation müssten diese intensiviert werden, sagt Hanaus Bürgermeister Axel Weiss-Thiel: „Wir dürfen beim Übergang von Schule zum Beruf keine Jugendlichen verlieren.“

Das Portal ersetzt keine Ausbildungsmesse, ist aber ein Baustein, um den Weg zur Ausbildung zu erleichtern, sagt Main-Kinzig-Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann, und weiter: „Jugendliche werden mit dem Gerät direkt angesprochen, das sie ohnehin meist nutzen.“ In Schule oder Jugendtreffs legen sie unter Anleitung mit wenigen Schritten ein Profil an, in dem sie zwei favorisierte Berufe nennen, dazu ihre Hobbys und Stärken. Als praktischer Nebeneffekt wird automatisch ein Lebenslauf generiert, den sie auch für Bewerbungen außerhalb des Portals nutzen können. Firmen erhalten eine Nachricht, sobald ein Jugendlicher einen Berufswunsch oder ein Interesse meldet, der mit ihrem Profil übereinstimmt. Dann melden sie sich per Messenger-Dienst und bitten um eine Bewerbung. Ein Fingerwisch genügt, und wenn es passt, ist der Ausbildungsplatz gefunden. „Dass sie umworben werben, gefiel den Jugendlichen in der Testphase sehr“, sagt Kümbel.

Dabei wird, das betonen alle Partner, Wert auf Datenschutz gelegt: Handels- und Handwerkskammern müssen vor Anmeldung bestätigen, dass die Firmen ausbilden; diesen wird bei einem Treffer nur ein Vorname angezeigt. „Es liegt an den Jugendlichen, den weiteren Kontakt herzustellen“, sagt Patrick Probst vom Offenbacher Jugendamt. Zum Schuljahresbeginn werden „Karteileichen“ gesäubert, damit keine längst vermittelten Jugendlichen in der Datenbank auftauchen.

Weiterer Vorteil: Das Portal ist vergleichsweise günstig, 177 Euro kostet es alle vier Partner monatlich gemeinsam. „Kein Vergleich zu den Summen, die wir sonst in die Vermittlung investieren“, sind sich Weiss-Thiel und Müller einig.

» dieazubisuche.de

VON FRANK SOMMER