Mehr Azubis und gleich viele Ausbildungsstellen

Zwar ist die Zahl der Auszubildenden in der Region gestiegen, doch müssen nach Meinung der Arbeitsagentur die Anreize stark verbessert werden. Archivfoto: dpa

Das Ausbildungsjahr 2022/23 zeichnete sich im Hanauer Agenturbezirk durch Zugänge bei den Bewerbern aus. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze ist nahezu auf dem Stand des Vorjahres geblieben, bilanziert die Arbeitsagentur in einer Mitteilung.

Region – 2170 junge Frauen und Männer meldeten sich im Ausbildungsjahr bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit ausbildungssuchend, 55 mehr als im Vorjahreszeitraum. Sieben Jugendliche blieben unversorgt, zwei weniger als 2021/22. Die Ausbildungsbetriebe meldeten 2232 offene Ausbildungsstellen beim Arbeitgeber-Service zur Vermittlung, das sind drei weniger als im Vorjahresvergleich. 237 Ausbildungsstellen blieben trotz aller Bemühungen unbesetzt, eine weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

„Die Zahlen zeigen, dass die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Agenturbezirk weiterhin vorhanden ist“, wird Heike Hengster, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hanau, in der Mitteilung zitiert. „Das Fachkräfteproblem wird drängender und ist mittlerweile in allen Branchen angekommen. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren verstärkt in Rente gehen, wird sich die Lage sogar noch verschärfen. Da ist die Investition in eine Ausbildung ein guter Weg. Das ist aber nur die eine Hälfte der Wahrheit. Denn die Ausbildungsbereitschaft muss auch bei den Jugendlichen – und ihren Eltern, die bei der Berufswahl prägend sind – vorhanden sein. Dabei sollten Jugendliche angesichts des Überangebotes nicht allzu sorglos sein. Wenn das Bemühen um den Ausbildungsplatz der Wahl immer wieder auf die lange Bank geschoben wird, kann der Traum auch platzen.“

In Teilen deute sich an, dass Ausbildungsberufe für Jugendliche wieder etwas attraktiver geworden seien, beispielsweise bei Umweltberufen. Aber noch immer sei die Neigung, den höchstmöglichen Schulabschluss anzustreben und den Berufseinstieg so weit wie möglich nach hinten zu schieben, ausgeprägt. Hengster erklärt weiter: „Ich wünsche mir dringend mehr Möglichkeiten für junge Leute, Praktika zu absolvieren.“ Berufsberater machten die Erfahrung, dass häufig veraltete Berufsbilder in den Köpfen verankert seien. Zum zweiten Mal sei es gelungen, in den Sommerferien die Praktikumswochen zu realisieren. Auch mit dem Pop-up-Store „Tatkraft“ habe man das konkrete Tun in den Mittelpunkt gestellt: eine Hobelbank auszuprobieren, Glas zu schneiden, mit Farben zu hantieren. „Das ist nicht ausreichend und nicht erschöpfend, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so Hengster.

Dasselbe statische Denken gelte für Karriereperspektiven. Wer eine duale Ausbildung mit Erfolg absolviere, steht nicht am Ende, sondern am Anfang seiner oder ihrer Möglichkeiten, sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. „Eine berufliche Karriere anzustreben, bedeutet nicht, nach dem Abitur auf Biegen und Brechen an die Universität zu gehen“, betont die Agenturchefin.

Viele Betriebe seien sehr innovativ, wenn es darum gehe, sich für Auszubildende interessant zu machen. Sie seien präsent auf Messen, werben auf Social Media und seien überhaupt sehr engagiert. Jedoch befürchte sie, dass das nicht ausreiche.

Zum Abschluss appelliert Hengster an die Unternehmen: „Gehen Sie auch auf die Jugendlichen zu, die auf den ersten Blick nicht überzeugt haben oder die Hemmnisse mitbringen. Nutzen Sie die Unterstützungsangebote der Arbeitsagentur.“ Es gibt laut Hengster die Assistierte Ausbildung (AsA flex), die Betriebe von Anfang an entlastet, wenn sie Bewerber ausbilden, die verstärkte Zuwendung benötigen. Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) greifen dann, wenn ein Azubi während der Ausbildung schwächelt, zum Beispiel in der Berufsschule. Mithilfe der Einstiegsqualifizierung (EQ) könnten Betriebe Jugendliche schon vor einer Ausbildung mehrere Monate lang kennenlernen. Vor allem sollten Betriebe ihre unbesetzten Ausbildungsstellen der Agentur melden – je früher, desto besser, so Hengster. „Denn nur wenn wir wissen, dass ein Betrieb sucht und wen er sucht, können wir beraten und unterstützen.“

„Wir freuen uns, dass die Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis und Hanau nach dem durch Corona bedingten Rückgang wieder mehr Ausbildungsverträge schließen konnten. Mit 1270 neuen Ausbildungsverhältnissen verbesserte sich die Ausbildungssituation im Bereich der Industrie- und Handelskammer nachweislich. Dies unterstreicht, dass Unternehmen und Schulabgänger/innen weiterhin auf die duale Berufsausbildung setzen“, so Claudia Blaak und Amir Nimer, Leitung Berufliche Bildung der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. Gemeinsam mit Unternehmen und Partnern werde man die Aktivitäten im Bereich der Berufsorientierung fortführen und ausbauen.

Nicole Laupus, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Hanau, zeigt sich laut Mitteilung zufrieden mit den Ausbildungszahlen: „Das Handwerk konnte bei der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahr zulegen. Unsere Handwerksbetriebe legen weiterhin ein hohes Ausbildungsengagement an den Tag. Die Bereiche Elektro und Sanitär-Heizung-Klima sind für Jugendliche attraktiver geworden. Weniger gut sieht es im Lebensmittelhandwerk aus.“ Dem schließt sich Klaus Zeller, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gelnhausen-Schlüchtern, an: „Wir sind ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen im abgelaufenen Ausbildungsjahr. Bei den jungen Leuten scheint angekommen zu sein, dass Berufe rund um Sanitär-Heizung-Klima die Zukunft sind. Hier verzeichnen wir ebenso Steigerungen wie bei Kfz-Berufen, im Baugewerbe und in Metallberufen.“ Insgesamt sei die Entwicklung der Betriebe im Bereich Ausbildung positiv. „Eine Rolle mögen auch die Erfahrungen während der Corona-Krise gespielt haben. Denn das Handwerk ist gut durch die Krise gekommen, und das haben sich viele gemerkt“, so Zeller.  cd