Überwiegend Tagestouristen

Ausflügler aus Offenbach und der Wetterau bilden das Gros der Tagestouristen im Main-Kinzig-Kreis. Das hat die Auswertung von Bewegungsprofilen ergeben. Foto: Claus Tews/Spessart Tourismus und Marketing GMBH

Zahl der Übernachtungen im Spessart bleibt im bescheidenen Rahmen.

Main-Kinzig-Kreis – Rund um den Spessart ranken sich nicht nur viele Sagen und Mythen. Rund um das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands versuchen viele Beteiligte, ein Stück vom großen ökonomischen Kuchen abzubekommen. Es sind nicht nur Tourismus und Gastronomie, mit denen sich Geld verdienen lässt. Doch es scheint, als ob der Main-Kinzig-Kreis – trotz emsiger Bemühungen und vieler Ideen – hier nicht besonders weit gekommen ist.

„Der Spessart ist positiv besetzt – schon seit Liselotte Pulver und dem Wirtshaus im Spessart“, sagt Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern auf der Jahrespressekonferenz der Spessart Tourismus und Marketing GmbH (STM).

Für Quidde ist das Mittelgebirge mit seinen vielfältigen Erholungsmöglichkeiten ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen, aber auch im Kampf um die besten Fachkräfte aus den unterschiedlichesten Branchen.

So ist vor zehn Jahren die Idee entstanden, die Region zwischen Maintal und dem Sinntal besser zu vermarkten, 2016 kam es dann durch IHK und Kreis zur Gründung der gemeinsamen STM.

Nach nunmehr acht Jahren sind die Zahlen nicht gerade rosig: Im Bereich der Hotellerie hat sich nur wenig getan. Neue Hotels sind nicht dazugekommen. Zwar sehen Übernachtungszahlen wie in Bad Orb (424 769 im Jahr 2023) imposant aus. Mit Tourismus hat das aber nur wenig zu tun. Das Gros sind die Menschen, die in den großen Reha-Kliniken oft mindestens drei Wochen verweilen, und somit 21 Tage am Stück übernachten. Von den im Vergleich nur 196 564 Übernachtungen in Hanau dürften die meisten beruflich veranlasst sein. Und nach der Kreisfreiheit Hanaus fallen diese Zahlen auch aus der Statistik. Kreisweit liegt die Auslastung der Hotels bei gerade einmal 49,6 Prozent.

STM-Geschäftsführer Bernhard Mosbacher hat als Tourismus-Experte festgestellt, dass es hauptsächlich Tagestouristen sind, die es in den Spessart sowie zu den Sehenswürdigkeiten zwischen Sinntal und Maintal zieht. Und die Auswertungen von anonymen Handy-Daten bringen ans Licht: Die meisten Tagestouristen kommen aus der Wetterau, aus Offenbach und dem Landkreis Main-Spessart.

Bei der Gastronomie sieht es quantitativ nicht besser aus. Das „Gaststättensterben“ ist ein generelles Problem, von dem der Main-Kinzig-Kreis nicht ausgenommen ist. „An einem Dienstagabend ist das Risiko hoch, im Main-Kinzig-Kreis zu verhungern, wenn man Essen gehen will“, witzelt auch Quidde mit Blick auf das vor allem im ländlichen Bereich immer weiter ausdünnende Angebot. Susanne Simmler, die als Erste Kreisbeigeordnete ausscheidet und damit auch ihre Position in der STM aufgeben muss, zieht trotzdem eine „positive Bilanz“ der vergangenen acht Jahre. Es sei „viel bewegt worden“.

An innovativen Ideen fehlt es Mosbacher und seinem Team keineswegs. Ob aber Tests mit Service-Robotern in Gastwirtschaften, Picknickstationen im Wald, die Zertifizierung als nachhaltiges Reiseziel oder der Einsatz von künstlicher Intelligenz im neuerdings „Destinationsmanagement“ genannten Aufgabenbereich zu mehr Übernachtungen oder Tagestouristen im Main-Kinzig-Kreis führen, bleibt fraglich.

„Tourismus hat auch sehr viel mit Tourismuspolitik zu tun“, sagt denn auch der IHK-Hauptgeschäftsführer und nennt gerne den „Starnberger See“ als Touristenmagnet, dem der Spessart hinterherhinkt. Sehr weit. „In Bayern ist das mit der Tourismuspolitik irgendwie einfacher“, meint Quidde. und fügt hinzu: „Es ist ein mühsames Geschäft“.

Mit Blick auf die andere Seite der Landesgrenze stimmt das wohl. Denn in Sachen Biosphärenregion ist die hessische Seite schon lange außen vor. Dabei hatte die Idee, die maßgeblich von Susanne Simmler getragen wurde, sehr gut geklungen: Die Landkreise tun sich grenzübergreifend zusammen.

Daraus wurde aber nichts, denn die Bereiche Aschaffenburg und Main-Spessart gehen seit Monaten ihren eigenen Weg. Quasi vor den Toren Hanaus wird bereits zielgerichtet diskutiert. Eine 2023 fertiggestellte Machbarkeitsstudie, an der der Main-Kinzig-Kreis schon gar nicht mehr beteiligt war, hat ergeben, dass eine Biosphärenregion Spessart grundsätzlich möglich wäre. Das gilt auch für fast alle der 40 Kriterien, die von der Unesco aufgestellt werden. Alle könnten erfüllt werden.

Ziel auf der unterfränkischen Seite: Eine Biosphärenregion, die mit vielen modernen Schlagworten wie „nachhaltige Entwicklung“, „Energiewende“, „demografischer Wandel“ und „Vermarktung regionaler Produkte“ einhergeht.

Das hört sich an wie auf der hessischen Seite, auf der es gleich drei Institutionen gibt, die sich um den Spessart kümmern: Der Naturpark hessischer Spessart, Spessart regional und eben die STM GmbH. Doch sie sind bei der Diskussion um die Biosphärenregion draußen, weil die bayerische Seite den Alleingang unternimmt.

Entsprechend sauer ist denn auch Susanne Simmler, wenn sie auf das Thema angesprochen wird. So habe Alexander Legler, Landrat in Aschaffenburg, nicht einmal auf ein Schreiben geantwortet.

Der Alleingang hat wohl einen guten Grund, denn es geht in Wahrheit eben nicht nur um „Nachhaltigkeit“. Das Personal für eine Biosphärenregion würde aus München bezahlt. Und jede Kommune hätte leichteren Zugriff auf Fördermittel.

Von Thorsten Becker